Wie hat sich der Blick auf ältere Menschen in der Corona-Zeit verändert? Von Mitte März bis Ende Mai hat sich Alex mit dem Blick auf ältere Menschen in der Corona-Zeit befasst. Einige Einblicke sind hier zu lesen.
Teil 1
Eintrag vom 30.03.2020
Liebes Tagebuch,
die Ereignisse in den Senioren- und Pflegeheimen überschlagen sich und mit großer Sorge lese ich über die besorgniserregenden Entwicklungen. Nicht nur die steigenden Todesfälle in diesen Einrichtungen sind erschreckend. Leider kenne ich auch eine Tochter deren Vater im Altenheim verstorben ist und die sich leider nicht persönlich von ihm verabschieden konnte. Ich weiß nicht, ob der Tod aufgrund des Virus eingetreten ist, aber die Tatsache ist für alle Betroffenen sehr schlimm und nur schwer zu ertragen. Die älteren Menschen, die nicht verstehen warum sie keiner mehr besuchen will und kann und die Angehörigen, die nicht wissen wie es ihren Eltern oder Verwandten gerade ergeht oder sich im schlimmsten Fall nicht verabschieden können. Auch das gibt mir wieder zu denken. Und ich stelle fest, dass wir das Hier und Jetzt viel mehr nutzen sollten bevor es zu spät sein kann.
Deine Alex
Eintrag vom 01.04.2020
Liebes Tagebuch,
diese Schlagzeile ist mir heute beim Recherchieren aufgefallen:
„Pflegeverbände schlagen Alarm: Ab Ostern könnten bis zu 200.000 Menschen nicht mehr häuslich versorgt werden, denn viele Betreuungskräfte aus Osteuropa verlassen aus Angst vor Corona Deutschland.“
Die Pflegeheime sind voll, Familien gnadenlos überlastet und die Situation der hilfebedürftigen Menschen spitzt sich zu. In meinem TPT-Praktikum in einer Akutklinik wurde mir diese Situation zum ersten Mal bewusst. Die älteren Menschen konnten nach dem Klinikaufenthalt nicht untergebracht oder versorgt werden, da die Anschlussbehandlungen überfüllt waren, die häusliche Situation es nicht ermöglichte, dass die Menschen nach Hause zurückkehren und sich allein versorgen und die häuslichen Pflegedienste bereits an ihre Kapazitäten gestoßen sind. Ich frage mich, ob die Corona-Krise hier endlich zu einem Umdenken verhilft.
Deine Alex
Quelle: https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/corona-pflegekraefte-notstand-101.html
Eintrag vom 02.04.2020
Liebes Tagebuch,
ich mache mir viele Gedanken um die Situation in den Pflegeheimen, die derzeit so eine beängstigende Entwicklung macht und dadurch ist bei mir eine solch große Hilflosigkeit entstanden, dass ich etwas recherchiert habe und auf einen Artikel im Spiegel online gestoßen bin. Hier ist ein Interview mit Patientenvertreter Eugen Brysch abgedruckt, aus dem ich die für mich interessantesten Aussagen herauskopiert habe. Herr Brysch ist grundsätzlich der Überzeugung „…dass sich die Politik darauf konzentriert hat, die Krankenhäuser fit zu machen, statt sich um den Schutz der Risikogruppen zu Hause beziehungsweise in den Pflegeheimen zu kümmern. Das rächt sich jetzt.“
SPIEGEL: Was ist falsch gelaufen?
Brysch: Es gibt seit vielen Jahren Pläne, Handreichungen und Risikoanalysen für eine solche Pandemie. Darin steht nicht nur, welche Menschen besonders geschützt werden müssen, sondern auch wie. Jetzt sehen wir, dass die Fürsorgepflicht für die Alten nicht ernst genommen worden ist.
SPIEGEL: Was kritisieren Sie konkret?
Brysch: Die Strategie, die Heimbewohner grundsätzlich nicht zu testen, war falsch. Das muss sich jetzt ändern. Wir brauchen Tests, sowohl bei der Aufnahme in ein Heim als auch bei Bewohnern und Pflegepersonal, wenn Grippesymptome auftauchen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses muss streng isoliert werden.“
Für die Zukunft schlägt er vor „..man müsste endlich mal das machen, was seit Monaten überfällig ist. Wir brauchen auf jeder kommunalen Ebene eine Taskforce, in der Krankenhausärzte, niedergelassene Mediziner und Pflegekräfte zusammenarbeiten. Diese Teams müssen dahin, wo es am meisten brennt. Wir brauchen viel engmaschigere Tests. Und wir brauchen ausreichend Schutzkleidung und Desinfektionsmittel. Notfalls muss der Staat diese beschlagnahmen. Wo ist das Problem? Auch die Feuerwehr darf Wasser beschlagnahmen, wenn ein Brand gelöscht werden muss.“
Ich beobachte den Umgang mit älteren Menschen schon länger und stelle immer wieder fest, dass sie so oft vergessen werden, da sie weder dem Staat noch irgendwem von Nutzen sind und es lediglich nur noch um die Versorgungsfrage geht und weder um den nötigen Respekt, den sie für ihr Leben verdient haben, noch die Würde, die jedem Menschen, in jedem Alter entgegengebracht werden soll – das ist zumindest meine Meinung!
Deine Alex
Quelle: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/coronavirus-patientenvertreter-eugen-brysch-zu-todesfaellen-in-altersheimen-a-a6515cc8-e019-4fcc-a794-f23b78bae8d2
Eintrag vom 05.04.2020
Liebes Tagebuch,
bei meinen Recherchen ist mir immer wieder aufgefallen, dass innerhalb der Corona-Krise und der damit verbundenen Ausgangssperre, die Hilfsangebote über digitale Medien angeboten und somit auch darüber abgerufen werden können. Dabei denke ich an meine 88jährige Oma, die mit der digitalen Entwicklung komplett überfordert und hier immer wieder auf Hilfen durch die Kinder oder Enkel angewiesen ist. Mir wird bewusst, dass ein wichtiger Schwerpunkt in der Arbeit mit älteren Menschen der ist, sich zusammen mit ihnen der medialen Welt zu nähern, ihnen Sicherheiten im Umgang mit digitalen Plattformen zu ermöglichen und ihnen die Angst und Unsicherheiten vor der Vernetzung zu nehmen. Vor allem in der aktuellen Zeit sind diese Möglichkeiten sehr sinnvoll, um Kontakte zur Familie aufrecht zu erhalten, sich Gehör und Hilfen zu organisieren und weiterhin am sozialen Leben teilzunehmen. Mir wird klar, wie wichtig es ist, die ältere Generation im digitalen Umgang zu partizipieren, denn dadurch können ihnen viele Möglichkeiten der Teilhabe verschafft werden.
Deine Alex