Leo aus der offenen Kinder- und Jugendarbeit berichtete uns zu Zeiten der Schulschließungen, mit welchen digitalen Angeboten sie Familien in der Krisenzeit unterstützt haben:
Die Corona-Krise hat alles fest im Griff und insbesondere der pädagogische und sozialpädagogische Bereich geriet zunächst in Schockstarre.
Arbeit, die davon lebt, von Angesicht zu Angesicht mit Klient*innen zu agieren, direkt auf ihre Bedürfnisse einzugehen und ihre Ressourcen zu fördern, ist in Zeiten von Corona stark eingeschränkt. Dabei ist die Sozial Arbeit und Sozialpädagogik zur Zeit gefragter denn je und mehr als systemrelevant für Familien, welche Zuhause, teils auf engen Raum, in eine bis dato unbekannte Lebenssituation gezwungen werden. Steigende Fallzahlen in Frauenhäusern und stetig klingelnde Sorgentelefone für Kinder sprechen hier Bände.
Es ist also von geradezu existenzieller Bedeutung für pädagogische Einrichtungen den Schock abzuschütteln, die Krone gerade zu rücken und wieder aufzustehen. Weg mit den analogen Scheuklappen und rein in die digitalen Möglichkeiten der Interaktion, auch und insbesondere individuell und von Angesicht zu Angesicht.
Bereits an Tag eins der deutschen Corona-Zeitrechnung, mit Schließung der Schulen, reagierte unsere Einrichtung mit dem Posting eines denkbaren Tagesablaufes für Familien mit schulpflichtigen Kindern, in den sozialen Medien. Das Angebot erreichte mehr als 150.000 Menschen über Facebook und wurde 120 mal geteilt. Genau dieser Ansatz wird jetzt von der sozialen Arbeit gefordert. Es stellt sich nun die Aufgabe, Familien und Kindern Hilfen zur Gestaltung des ungewohnten Tagesablaufes anzubieten und bei Bedarf auch individuell auszuarbeiten.
Seit Schließung der Schulen posteten wir täglich bebilderte Anleitungen, z.T. auch mit Video, für Bastel-, Mal-, Kreativ-, Pflanz- oder Kochideen auf den sozialen Medien. Der Youtube-Kanal wurde reaktiviert und auch hier erscheinen wöchentlich Videos mit Anleitungen für Kinder und Familien.
Anfang April wurde dann der folgerichtig nächste Schritt gegangen und zwei mal die Woche einstündige Videobetreuungen für Kinder angeboten. Eltern können hier kostenlos ihre Kinder eine Stunde durch einen Betreuerin von uns begleiten lassen. Es wird gesprochen, gebastelt, oder einfach zusammen Quatsch gemacht. In einem der ersten Skype-Webinare mit Kindern wurde ich mit dem Satz begrüßt: „Endlich mal ein anderes Gesicht“. Der Spruch kam von einem 9-jährigen Jungen, er hat sich einfach gefreut endlich mal jemanden anderen zu sehen und zu sprechen.
Unseren Kindern verlangen wir mit Kontaktverboten weitaus mehr ab, als wir dies von reflektierten und gut informierten Erwachsenen tun. Die möglichen Spätfolgen dieser Isolierung sind nicht bekannt. Prävention ist also in diesen Zeiten wichtig und sollte nicht unterschätzt werden.
Genau hier muss Soziale Arbeit ansetzen, Eltern wie auch Kinder zu entlasten und zu begleiten. Machen wir unseren Job in diesen schweren Zeiten und halten das System mit Prävention am Laufen bevor Familien zerbrechen oder zu Schaden kommen.
Mit diesem Aufruf Anfang April haben wir versucht etwas in Bewegung zu bringen. Bewegt haben, gefühlt, aber nur wir uns zu dieser Zeit. Mittlerweile hat unsere Einrichtung wieder für die Allgemeinheit geöffnet, wenn auch mit großen Einschränkungen und Hygieneauflagen.
Mit dem Verbot von Gruppenbesuchen ist unsere Haupteinnahmequelle innerhalb eines Tages eingebrochen. Bis September wird unsere Einrichtung mehr als 75.000€ verloren haben und ähnlich wie die Gastronomie können auch wir Tische nicht zweimal belegen. Die Verluste sind also nicht auszugleichen. Mit Kurzarbeit und Spenden halten wir uns über Wasser und machen weiter.
Während die Medizin den Virus bekämpft, kümmert sich die Soziale Arbeit um den sozialen Zerfall!
Welche digitalen Möglichkeiten hat deine Organisation während der Krise ausgeschöpft? Oder waren solche aufgrund von fehlender Ausstattung gar nicht möglich? Erzähl uns deine Geschichte auf https://dauerhaft-systemrelevant.de/praxisberichte/mitmachen/