An Kikis Arbeitsplatz, in einem Tagestreff für obdachlose Menschen, wurden die Mitarbeiter*innen beim Selbstschutz in der Pandemie weitestgehend sich selbst überlassen:
Als studierte*r Sozialarbeiter*in absolviere ich derzeit mein Anerkennungsjahr in einem Tagestreff.
Mit unserer Einrichtung bieten wir obdachlosen Menschen eine Grundversorgung (Ernährung, Hygiene, Schutzraum) an. Auch während der Corona-Pandemie haben wir unser Angebot weitestgehend aufrecht erhalten und unsere Öffnungszeiten sogar erweitert. Da die meisten Hilfsangebote während der Lockdowns alternativlos geschlossen wurden, blieb es an uns, den Menschen weiterhin die Basisversorgung zu ermöglichen.
Wir alle haben diese Zeit als anstrengend empfunden.
Doch gerade die Arbeit in Präsenz war mit vielen Unsicherheiten verbunden. Fehlende Schutzausrüstung und ungünstige Räumlichkeiten, auf die kein Hygienekonzept angewandt werden konnte, sorgten bei uns Mitarbeiter*innen für Unmut. Das moralische Dilemma zwischen Selbstschutz und der Verpflichtung, unseren Klient*innen nach besten Möglichkeiten ein Überleben und Leben in Würde zu ermöglichen, wurde durch unsere Leitung noch verstärkt.
Eine passende Unterstützung durch die Organisation von geeigneten Räumlichkeiten und notwendiger Schutzausrüstung gab es, wenn überhaupt, nur mit langer Verspätung. Auch hier mussten wir uns selbst organisieren und uns häufig gegenüber unseren Vorgesetzten rechtfertigen (z.B. für die Finanzierung von FFP2-Masken für uns Mitarbeiter*innen aus Betriebsmitteln).
Bis heute haben wir von unseren Arbeitgeber*innen keine Würdigung unserer Arbeit bekommen. Unsere Forderung nach einer finanziellen Bonuszahlung oder Gefahrenzulage aufgrund erschwerter Arbeitsbedingungen (§2 TVDN) wurde als unverschämt abgetan und bis heute wurde uns kein Corona-Geld ausgezahlt (gemeint ist der Corona-Bonus, der steuerfrei von allen Arbeitgeber*innen an die Mitarbeitenden ausgezahlt werden kann*). Das Prinzip der Nächstenliebe und Solidarität wird durch unseren Träger zwar nach außen hin vertreten, kommt gegenüber den Mitarbeiter*innen aber nicht zum Tragen.
Bis heute stehen uns keine Geräte zur Verfügung, die uns ein Arbeiten aus dem Homeoffice ermöglichen könnten. Im Blindflug können wir nur hoffen, dass wir und unsere Besucher*innen weiterhin von Corona verschont bleiben.
Systemrelevante Berufe müssen endlich besser bezahlt und die Arbeitsbedingungen verbessert werden! Anerkennung ist wichtig, aber nur klatschen reicht nicht aus!
Wie schnell und umfangreich haben Eure Arbeitgeber*innen für den Schutz der Mitarbeiter*innen gesorgt? Erzählt uns davon auf https://dauerhaft-systemrelevant.de/unterstuetzen/
*Anmerkung der Redaktion