Chris studiert Soziale Arbeit in Rheinland-Pfalz und ist frustiert über die Organisation des Studiums in der Pandemie:
Ein erneuter Lockdown steht bevor und ich frage mich, wer sich eigentlich um Studierende kümmert? Wenn wir realistisch waren, wussten wir alle, dass es so kommen würde – gehofft haben wir auf etwas anderes. Immer wieder während der letzten Monate fragte ich mich, wo die Hochschulen und Universitäten, vor allem aber die Studierenden in der politischen & gesellschaftlichen Diskussion über die Pandemie bleiben.
Zu Beginn wurde noch kurz über Corona Nothilfen für Studierende, die ihren Job wegen der Pandemie verloren haben, gesprochen oder diejenigen, welche nur noch einen bestimmten Betrag auf dem Konto haben. Spoiler: Auch diese Nothilfen waren ein bürokratischer Akt. Ich kenne viele bei denen sie erst „zu spät“ ankamen. Und dann bleibt weiter die Frage: Mit 500€ Nothilfe kommt man vielleicht einen Monat lang weiter – aber was dann?
Wir haben jetzt monatelang über Digitalisierung von Schulen und Kindertagesstätten gesprochen, über die Öffnung und Schließung, über die Wichtigkeit dieser Bildungseinrichtungen für Kinder & Jugendliche. Ich habe das Gefühl bei dieser Diskussion wurden Student*innen komplett vergessen. Ein Studium gehört immer noch auch zur Bildung. Die Digitalisierung von manchen Hochschulen ist nicht viel besser als die von Schulen – das Geld fehlt auch hier angeblich. Im letzten Sommersemester nutzten wir vier verschiedene Plattformen, hatten kaum „Live“-Veranstaltungen, keinen vernünftigen Zugang zu Online Literatur (kein Geld der Hochschule) – aber auch keinen richtigen Zugang zur Bibliothek, keine Arbeitsplätze. Jeden Tag kamen so viele E-Mails, neue Arbeitsaufträge mit neuen Fristen zu welchen wir aber aufgrund der hohen Arbeitsauslastung der Dozent*innen nie eine Rückmeldung erhielten – bis heute nicht. Dozent*innen setzten Livetermine kurzfristig an, frei nach dem Motto: Ihr habt ja eh Zeit. Dabei wurde ganz vergessen: Student*innen der Sozialen Arbeit haben häufig (gerade in den letzten Semestern) schon Nebenjobs in Bereichen, welche eine besonders hohe Auslastung während der Pandemie hatten. Die Uni wurde anstrengender – die Arbeit aber auch.
Am Ende letzten Semesters hatte ich das Gefühl nichts gelernt zu haben und trotzdem am Ende meiner Kräfte zu sein und damit war ich nicht alleine. Jetzt sind wir im Wintersemester angekommen, die Pandemie hält an, man sollte meinen, dass Universitäten Zeit gehabt hätten sich auf die Situation einzustellen, aber zumindestens an meiner Hochschule merkt man davon nichts. Wir stehen an genau dem gleichem Punkt wie noch im April. Es gibt keine Verbesserung. Die Belastung der Studierenden ist immens hoch und wächst von Woche zu Woche, dabei haben wir erst seit drei Wochen wieder Uni.
Im Sommersemester haben wir noch mit allen Mitteln versucht etwas an der Situation zu ändern, unsere Stimme zu erheben – mit den Hochschulen, Unis und Trägern zu sprechen, auf unsere Lage aufmerksam zu machen – mittlerweile fehlt selbst dafür die Kraft und Energie. Wir wurden und werden nicht ernst genommen, wir kommen schon irgendwie klar. Es gibt keine einzige Präsenzveranstaltung, was für mich komplett unverständlich ist, wenn es diese in Schulen gibt. Soziale Arbeit hat viele praktische Anteile im Studium, es kann nicht im Interesse aller sein, diese Anteile komplett aus zwei, wahrscheinlich eher drei Semestern Uni wegfallen zu lassen. Die Qualität der Lehre leidet sehr deutlich. Die Qualität der Lehre und des Zugangs ist also gesunken – was dahingegen nicht herabgestuft wurde, waren unsere Leistungsnachweise wie Klausuren oder Hausarbeiten. Alles beim Alten, so als wäre nichts, davon wurde nichts auf die Situation angepasst.
Wenn ich in die Zukunft blicke, mache ich mir nicht nur um meinen eigenen Jahrgang Sorgen, wo viele nicht wissen, wie sie ohne richtige Literatur und Arbeitsplatz ihre Bachelorarbeit schreiben sollen, sondern auch um die jüngeren Jahrgänge, wo einige in ihrem ganzen Studium bisher mehr Online – Uni als Präsenz-Uni hatten und die Lehre dementsprechend schlecht war / ist.
Wir haben auf uns aufmerksam gemacht, wurden und werden nicht gehört – jetzt ist der Punkt gekommen, an dem sich ein langsames, mutloses Akzeptieren einschleicht, es ist frustrierend, so gekonnt ignoriert zu werden. Ich fühle mich von der Hochschule und Politik übersehen und alleine gelassen.
Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Wie hat Eure Fakultät in der Pandemie agiert? Berichtet uns davon auf: https://dauerhaft-systemrelevant.de/unterstuetzen/