Jule hat uns berichtet, wie schwierig die Umsetzung von Hygienemaßnahmen in einer Kindertagesstätte während der Wiedereröffnung gewesen sind:
Unser Arbeitsalltag wurde durch Corona erheblich erschwert und auch der Personalmangel in den Kindertagesstätten hat sich durch die Pandemie noch einmal mehr bemerkbar gemacht. Inmitten der Pandemie gab es für uns fast jede Woche neue Richtlinien vom Bund oder Land, durch die wir neue Vorschriften, Verordnungen, Richtlinien etc. lesen und umsetzen mussten und dementsprechend jedes Mal auch ein neues Handlungskonzept erstellten.
Die Umsetzung von alledem war strukturell schwierig – vor allem mit noch weniger Personal als sonst (weil Fachkräfte aus Risikogruppen etc. zu Beginn nicht gearbeitet haben – mittlerweile arbeiten sie aber wieder).
Die Hygienevorschriften umzusetzen, gestaltet sich grundsätzlich schwierig und die Vorgaben sind einfach unrealistisch: keine Durchmischung der Kinder und Erzieher*innen aus unterschiedlichen Gruppen – dazu zählen auch keine Begegnungen auf den Fluren, beim Mittagessen etc., getrennte Waschbecken/ Toiletten für jede Gruppe und so weiter. Vor allem fehlen Räumlichkeiten und Personal für diese Umsetzung. Der Schutz der Erzieher*innen und Kinder ist, seitdem es einen eingeschränkten Regelbetrieb gibt, meiner Meinung nach nicht vorhanden. Eltern schicken aufgrund hoher Belastungen ihre Kinder trotz Symptomen wie Husten und Ähnlichem in die KiTa, wir schicken diese Kinder dann sofort wieder heim – trotzdem hat das nicht mehr viel mit Schutz zu tun. Und die Wut bzw. hohe Belastung der Eltern prallt auf uns ab – obwohl auch wir während der ganzen Pandemie unter schwierigen Umständen gearbeitet haben und mittlerweile teilweise echt am Ende unserer Kräfte sind.
Es ist für alle immer noch eine hohe Belastungssituation und soviel mehr Arbeitsaufwand als zuvor. Sicherlich auch berechtigt, aber ohne zur Verfügung Stellen von mehr Ressourcen für die Bearbeitung dieses Arbeitsaufwandes, geht das alles definitiv auf die Kosten der Kinder, für die die Situation auch nicht einfach ist.
Als Beispiel eine aktuelle Situation bei uns: Eltern geben ihre Kinder vor der Tür ab, damit sie nicht in die KiTa reinkommen. Es gibt aktuell drei Gruppen, deren Kinder und Erzieher*innen sich nicht durchmischen dürfen und auch nicht die gleichen Wasch- / Toilettenräume nutzen dürfen. Alle Kinder, die Bedarf haben, dürfen kommen, aber unterschiedlich oft – das führt natürlich auch zu Unmut. Jede Gruppe hat eine eigene Bring- und Abholzeit, damit sich auch die Eltern der Gruppen nicht begegnen. Natürlich passen auch diese Zeiten nicht für alle Eltern.
Alles muss andauernd desinfiziert werden. Mittagessen und Frühstück gibt es für die Gruppen getrennt. Aufgrund mangelnder Räume isst eine Gruppe sogar immer draußen – sofern gutes Wetter ist. Alleine die Essenssituation ist ein riesiger Aufwand. Die Kinder dürfen sich nicht auf dem Flur, zum Beispiel auf dem Weg zum Händewaschen etc., begegnen. Sonst haben wir die Anweisung mit den Kindern möglichst viel rauszugehen – aber bitte nicht auf öffentliche Spielplätze. Den Garten haben wir mit Absperrband getrennt. Es ist schwierig Kindern zu verbieten, auf die andere Seite zu gehen, nicht mit den Kindern auf der anderen Seite zu spielen oder ihnen zu nahe zu kommen. Natürlich ist es zwischen Erzieher*innen und Kindern nicht möglich, Abstände einzuhalten (komplett unrealistische Forderung). Wenn ein Kind auf Toilette geht, müssten wir mitgehen, um sicher zu stellen, dass die Hygiene auf jeden Fall eingehalten wird.
Die Pandemie erfordert von uns andauernd neue Konzepte, neue Ideen und vor allem unglaublich viel Kraft für die Umsetzung und Energie im Umgang mit teilweise wütenden und wenig verständnisvollen Eltern. Von manchen bekommen wir aber auch sehr viel Dankbarkeit entgegen gebracht.
Hast du bei deiner Arbeit ähnliche Erfahrungen gemacht wie Jule? Und hast du vielleicht selbst ein Kind und erlebst das Ganze gleichzeitig auch aus der Elternperspektive? Erzähl uns deine Geschichte auf https://dauerhaft-systemrelevant.de/unterstuetzen/.