Conny hat uns vom Alltag in der rechtlichen Betreuung vor der Corona-Pandemie erzählt und einen Eindruck vermittelt, wie das alles ohne Virus im Job ablief.
Prolog
Hey, Corona! – Who comes?
Im Fernsehen sah ich in der ZDF-Mediathek vor einigen Monaten die Serie „SlØborn“, die davon erzählte, wie ein hochansteckendes Virus sich auf der Welt verbreitete, viele Menschen tötete und zu schwerwiegenden Eingriffen in die Freiheitsrechte führte. Versuche an lebenden und offensichtlich immunen Menschen, um einen Impfstoff zu finden, riefen chaotische Zustände in Krankenhäusern, Städten und Familien hervor.
Ich träumte davon. Plötzlich klopfte es. Ich versuchte aufzuwachen und stellte fest, ich bin schon wach. Vor der Tür stand Corona. Höflich, wie ich bin, fragte ich: „Was kann ich für Sie tun?“. Corona antwortete: „Lass mich ein, ich habe ein wichtiges Anliegen“. Nein, ich ließ Corona nicht ein, bis jetzt. Aber die Tür war geöffnet und bestimmte von da an meinen Lebens- und Arbeitsalltag…
Ich bin startbereit – der Arbeitstag kann kommen. Meine Aufgaben für diesen Arbeitstag habe ich mir zurechtgelegt. Bei uns im Büro geht es manchmal zu wie im Taubenschlag. Irgendwer meiner Kollegen hat immer Besuch. Wir haben zwar Öffnungszeiten, aber manch einer unserer Betreuten kann oder will diese Informationen nicht lesen oder beachten. Zu wichtig, zu eilig sind die persönlichen Anliegen für die Betroffenen. Es wird geklingelt und geöffnet. Das Anliegen möchte sofort besprochen werden, Öffnungszeiten hin oder her. „Es dauert auch sicher nicht lange“, ein Standardsatz der Besucher*innen. „Ja, dann kommen Sie herein“, die Antwort. Service ist eben alles. Schließlich sind die Betreuten quasi unsere Auftraggeber*innen.
Die Telefone bimmeln während der Öffnungszeiten unablässig und E-Mails flattern ohnehin permanent ins Haus und wollen bearbeitet werden. Die Kolleg*innen kommen gerne mal mit der ein oder anderen Frage in meinem Büro vorbei. Nicht, dass ich das nicht schätze und als nette Ablenkung auch mal genieße, aber Multitasking will beherrscht sein: „Moment, ich tippe gerade noch die E-Mail zu Ende und bespreche parallel die Anfrage mit dem Betreuten am Telefon, dann stehe ich dir mit meiner Aufmerksamkeit ganz zur Verfügung, zumindest bis das Telefon wieder klingelt… Ups, Moment, es klingelt schon, da muss ich ran, die Klinik“. Dr. Schneehage berichtet, eine Betreute sei mit unklaren Blutungen eingeliefert worden. Untersuchungen zur Abklärung könnten heute noch stattfinden, sofern ich einwillige. „In Ordnung. Ich bin in einer halben Stunde vor Ort“. „Sorry, liebe Kollegin, wenn die Frage nicht von den anderen Kolleg*innen beantwortet werden kann, müssten wir das auf heute Nachmittag verschieben. Ich muss jetzt erst einmal in die Klinik zu einer Einwilligung. Ich weiß nicht, wie lange das in der Klinik dauert und evtl. fahre ich direkt zu meinem Termin. Ich werde zum Hilfeplangespräch im Haus Sonnenblick erwartet“.
Ich bin wieder eingeflogen. Die Kollegin erhält nachmittags ihre Beratung. Die geplanten und ungeplanten Termine sind abgearbeitet. Einige Betreute haben bereits mehrfach angerufen, weil ihnen immer wieder etwas eingefallen ist, was sie mir berichten oder mich fragen wollten. Mein Aufgabenstapel von heute Morgen liegt noch vor mir, unbearbeitet. Die Post von heute ist gerade einmal geöffnet.
Jetzt lege ich aber los! Ich muss dringend noch Wohngeld und Grundsicherung beantragen, damit ich die Fristen bei mehreren Betreuungen einhalten kann. Das Telefon klingelt…
Epilog
So oder so ähnlich geht es im Tagesverlauf weiter. Jedenfalls war das der „ganz normale Wahnsinn“ vor dem unangemeldeten Besuch von Corona, der ganz andere Probleme mit sich brachte, von denen ich heute Morgen noch nichts ahnte. Aber davon erzähle ich ein anderes Mal.
Wie wahnsinnig ist Euer Arbeitsalltag mit oder auch ohne Corona? Berichtet uns davon auf: https://dauerhaft-systemrelevant.de/unterstuetzen/