Alex aus der Kommunalen Sozialarbeit im Bereich der Geflüchtetenhilfe hat uns im Interview folgende Fragen beantwortet:
Aus welchem Arbeitsfeld kommst Du?
Aus der kommunalen Sozialarbeit mit Geflüchteten. Wir führen Beratungen und aufsuchende Arbeit durch.
Wie hat sich Dein Arbeitsalltag durch Corona verändert?
Zuerst befanden wir uns in einer völligen persönlichen Kontaktsperre, alles wurde auf Telefon- und Emailkontakte umgestellt. Gerade für unsere Zielgruppe mit eingeschränkten Sprachkenntnissen ist das nicht besonders hilfreich. Gleichzeitig haben wir aber durch abgestimmte Schutzmaßnahmen und Hygienevorschriften schnellst möglich wieder eingeschränkt geöffnet. Wir sehen weiterhin Ratsuchende mit „Notfällen“, in die städtischen Unterkünfte gehen wir auch wieder wöchentlich für eine kurze Kontaktaufnahme und zur Überprüfung, wie es den Bewohner*innen geht. Die offene Sprechstunde gibt es nicht mehr, wir arbeiten nur noch mit Terminen. Die Kolleg*innen arbeiten mit Plexiglasscheiben in der Beratung, um die Face-to-Face Kontakte sicher stellen zu können. Zusätzlich arbeiten wir jetzt im Schichtsystem, so dass sich immer ein Teil des Teams im Home Office befindet.
Wir nehmen wahr, dass unsere Klient*innen auch weniger Kontakt zu uns suchen. Dies betrachten wir zum Teil auch mit Sorge, da die langfristigen Probleme noch gar nicht so sichtbar geworden sind. Es herrschen allgemein eine große Verunsicherung und auch Ängste bei den Leuten, denen wir nur schwer etwas entgegensetzen können, da der persönliche Kontakt und damit auch die Beziehung zu den KlientInnen eingeschränkt ist.
Was erwartest Du bzw. erwarten Deine Kolleg*innen?
Wir erwarten große Nachholbedarfe in den Bereichen Sprache, Bildung und Förderung in verschiedenen Aspekten. Teilweise gibt es bereits jetzt Verluste von Arbeitsstellen, da die Kinderbetreuung nicht mehr sicher gestellt ist oder der Arbeitgeber Stellen abbaut. Mit diesen großen finanziellen Schwierigkeiten gehen die Drohung von Verlust der Wohnung, familiäre Krisen und psychische Belastungen einher. Rundum werden deutliche Rückschritte im Integrationsprozess folgen, gerade bei den Klient*innen, die wir schon lange intensiv begleitet haben. Der kleinste Teil dürfte wohl die zu erwartende Papierflut sein – von zahllosen Anträgen, die in der Zwischenzeit nicht bearbeitet werden konnten.
Welche Forderungen möchtest Du an die Politik stellen?
Anerkennung und Wertschätzung für systemrelevante Berufe sind auch jenseits von Pandemie-Erfahrungen nötig. Gleichzeitig wird auch gerade an dieser Pandemie deutlich, wie verzweigt unsere Hilfesysteme sind und wie unmöglich dann Einheitlichkeit und Steuerung wird. Es braucht gerade diese in unserem Arbeitsfeld dringend.
Bitte führe folgende Sätze fort:
„Soziale Arbeit ist dauerhaft systemrelevant, weil…
… Menschen in allen Lebenslagen und gerade in Krisenzeiten Unterstützung brauchen.“
„Wenn Soziale Arbeit fehlt oder reduziert wird, …
… würde hoffentlich deutlich, warum und wo wir Soziale Arbeit brauchen. Allerdings sollte das Ziel Sozialer Arbeit sein, präventiv und nicht reaktiv arbeiten zu können.“
Gibt es in Deinem Arbeitsfeld bereits Signale, dass bei Sozialer Arbeit in Folge der Corona-Pandemie eingespart wird? Wenn ja, welche?
Aktuell ist das bei uns noch nicht absehbar, aber denkbar. Der Zeitraum für Förderungen wurde zum Teil bereits verlängert ohne Klarheit darüber, ob die Mittel im nächsten Jahr dann dementsprechend aufgestockt oder nur über die Zeit gestreckt werden.
Du möchtest uns auch aus Deinem Arbeitsbereich berichten? Dann schreib uns unter https://dauerhaft-systemrelevant.de/unterstuetzen/.