Marian arbeitet in einer psychiatrischen Klinik und berichtet aus der Abteilung für Abhängkeitserkrankungen von erschwerten Vermittlungen während der Pandemie:
Ich arbeite als Sozialarbeiter*in auf einer psychiatrischen Station und unterstütze dort jeden Tag Menschen mit verschiedenen Abhängigkeitserkrankungen. Unsere Arbeit ist sowieso schon sehr anspruchsvoll, aber während der Pandemie konnte ich meinen Job nicht mehr vernünftig ausführen. Obdachlose Menschen, die bei uns Hilfe suchten, konnten wir nicht nahtlos in soziotherapeutische Wohnheime vermitteln. Auch die Anbindung an das externe Suchthilfesystem wurde regelrecht erschwert, insbesondere die Vermittlung in die medizinische Rehabilitation. Die wichtigen persönlichen Kontakte zu Mitgliedern der Sucht-Selbsthilfegruppen waren nicht mehr möglich. Die Teilnahme an tagesstrukturierenden Angeboten durch Anbieter des Ambulant Betreuten Wohnens wurde sogar komplett ausgesetzt.
Rehakliniken für drogenabhängige Klient*innen hatten teilweise einen Aufnahmestopp. Da so keine nahtlose Aufnahme in eine Langzeittherapie möglich war, wurde die Stabilität der vorherigen Entgiftungsbehandlung gefährdet. Für viele Betroffene bedeutete dies einen harten Rückschlag.
Menschen, bei denen besondere soziale Schwierigkeiten im Sinne der §§ 67-69 SGB XII bestehen, konnten wir aufgrund der erschwerten Kontaktaufnahme und wegen des kompletten Aufnahmestopps der Kliniken gar nicht vermitteln. Die Besuchsverbote für Mitarbeitende des externen Suchthilfesystems und für Angehörige auf den Stationen erschwerten die Behandlung für die Klient*innen zusätzlich und führten teilweise sogar zu Behandlungsabbrüchen.
Für Menschen mit schweren Suchterkrankungen sind die Auswirkungen der Pandemie verheerend. Ich wünsche mir mehr Aufmerksamkeit dafür, dass auch Sozialarbeiter*innen systemrelevant sind. Dass es ein großer Arbeitsaufwand ist, in dieser schweren Zeit Menschen in ihren schwersten Zeiten zielorientiert zu helfen. Soziale Arbeit bleibt auch nach der Krise ein Beruf in der Krise, der zu niedrig entlohnt wird. Sozialarbeiter*innen bleiben weiterhin systemrelevant und führen ihre Arbeit auch bei wenig Wertschätzung ihnen gegenüber aus, denn die Arbeit mit Menschen ist auch in globalen Krisen immer von persönlichen Krisen überschattet und diese Krisen gilt es zu jeder Zeit aufzufangen.
Waren deine Erlebnisse während der Pandemie auch so einschneidend? Dann berichte uns davon hier: https://dauerhaft-systemrelevant.de/unterstuetzen/